Raus aus dem Hamsterrad

Du stellst Dir die Frage, „wie kommt man raus aus dem Hamsterrad?“ Wir haben es 2019 gewagt und bisher keine Sekunde bereut. Wir sind aus den festen Mustern ausgebrochen und leben seit über 4 Jahren in unseren Campervans. Wie das geht, erfährst Du in diesem Beitrag.
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Alex (Afri)

Autor von VollzeitVanlife: Lebt seit 2018 zusammen mit seinen beiden Hunden (Heinz & Lupa) im Campervan.

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Das Hamsterrad hat Feuer gefangen. Eigentlich brennt es lichterloh. Nicht, dass es hier vorher besonders beschaulich gewesen wäre, aber inzwischen wird es unerträglich heiß. 

Eine intuitive Reaktion wäre abzuspringen, raus aus dem brennenden Laufrad. Stattdessen versuchen die richtig geleiteten Hamster, mit ausgefahrenem Ellbogen, durch schnelleres Rennen dem Feuer zu entkommen. „Nur so entgehen wir den Flammen!“ hört man sie rufen, während sie vor Erschöpfung keuchend und mit letzter Kraft alles aus dem Weg rammen, was sie zum Nachdenken bringen könnte.

Dieser zweite Vodcast ist keine Anleitung wie Du in 5 Schritten aus dem Hamsterrad heraus kommst. Ich zweifle ohnehin an solchen Ratgebern. Dafür aber soll Dich dieser Beitrag motivieren, wenn Du selbst gerade vor einer bedeutenden Entscheidung stehst. 

Bereits zu Beginn möchte ich anmerken, dass es ein wirkliches Aussteigen aus diesem System nicht gibt. Sofern Du nicht planst auf einer spanischen Insel in einer Höhle zu leben und Dich ausschließlich von Gräsern und Früchten zu ernährst, bist Du mehr oder minder immer ein Teil des Hamsterrads. Ein Teil des Systems. Die Frage ist jedoch worauf Du innerhalb dieser Umstände Deinen Fokus legst und wie selbstbestimmt Du dabei lebst.

Falls Du lieber zuhörst, anstatt zu lesen habe ich Dir hier den aktuellen Vodcast zum Beitrag verlinkt. 

Als wir noch im Hamsterrad feststeckten

Kathy und ich haben beide recht bodenständige Berufe erlernt. Direkt nach der Schule haben wir eine Lehre auf der Bank begonnen. Zum damaligen Zeitpunkt war das echt der Traum Deiner Eltern, wenn Du eine Beschäftigung in diesem Bereich gefunden hast. Es war ein Job mit Anerkennung und guten Zukunftsperspektiven. 

Es war die Zeit, in der die Bankmitarbeiter ihre Kunden noch persönlich kannten und wild ihre Zweigstelle zum Weltspartag dekorierten. Dieser dauerte meist eine ganze Woche und war jedes Jahr das absolute Highlight für Kinder. Sie bekamen Geschenke dafür, dass sie ihr Taschengeld nicht für Süßigkeiten aus dem Fenster warfen, sondern bis zu diesem besonderen Tag sparten. Sogar die Spardosen, deren Schlüssel nur die Bank hatte, bekamen sie geschenkt. 

Da heute kein Mensch mehr Dein schmutziges Kleingeld, gemischt mit winzigen Lego-Bausteinen, Heftklammern oder sonstigem Unrat haben möchte, gibt es nun zum Glück die digitale Sparschwein-App. Ein wichtiger Schritt hin zum digitalen Euro, aber viel entscheidender, dass Du damit verhinderst, dass unnötig Sparschweine für Dein Kleingeld sterben müssen.

Erste Zweifel an diesem System

Irgendwie hat sich das damals schon alles falsch angefühlt. Am Ende war die Omi, die ihr ganzes Leben der Bank treu geblieben ist, völlig egal. Die Kinder interessiert auch niemanden mehr, außer man kann mit ihnen für die Zweigstelle geforderte Abschlüsse machen. Mein damaliger Ausbilder hat es in einem Satz sehr schön und passend zusammengefasst: „Du musst die Kunden so über den Tisch ziehen, dass sie die Reibungswärme als Nestwärme empfinden!“ Während dieser Satz schon vor 20 Jahren galt, ist er heute vermutliche wahrer denn je.

2018 lernte ich Kathy kennen, die lustigerweise bei der Bank arbeitete. Wie bereits gesagt hatten wir beide zu diesem Zeitpunkt recht normale Leben. Ich hatte inzwischen mit 30 mein Abitur nachgeholt und lebte mich gerade als Student aus. 

Obwohl wir uns beim ersten Treffen in einem recht überschaubaren Stadtwald gnadenlos verlaufen hatten, war sofort klar, dass wir irgendwie in die selbe Richtung wollten. Wohin diese Richtung genau führte wussten wir natürlich noch nicht, aber dass es mit sehr großer Veränderung zutun haben würde war uns klar.

Bleibt es nur eine Wunschvorstellung?

Wie das so ist mit Träumen, besonders wenn man sich gerade kennenlernt. Vieles von dem was man sich zum Beginn einer Beziehung vornimmt, bleibt am Ende bei dem ganzen Alltag nur Träumerei. Anstatt auszusteigen, verlegt man seine wilden Abenteuer auf den zweiwöchigen Sommerurlaub. Im besten Fall kauft man sich ein Auto und stattet es so aus, dass man auch mal in den Urlaub damit fahren kann. Dennoch muss es in erster Linie auch für die Fahrt zur Arbeit taugen. Man muss ja schließlich wirtschaftlich denken und am Wochenende einfach mal auf einem Stück grüne Wiese verrückt sein. Klar kann man das so machen und ich möchte niemandem vorschreiben, wie er oder sie zu leben hat. Für uns wäre das aber eher ein fauler Kompromiss gewesen. 

Die Entscheidung aus dem Hamsterrad aussteigen zu wollen

Welche Faktoren entscheidend dafür waren, dass wir schließlich im Vollzeit Vanlife landeten, erfährst Du etwas detaillierter im ersten Vodcast. Sagen wir es aber einmal so: Wohnraum ist und war unverschämt teuer. Zudem wollten wir etwas von der Welt sehen, anstatt wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“ in einem sich nie verändernden Alltag festzustecken. Auch hier gönne ich es jedem, der tägliche Routinen und eine vertraute Umgebung braucht. 

So absurd aber viele Außenstehende unser Leben finden mögen und natürlich auch dürfen, so unvorstellbar wäre es inzwischen für uns in diesen klassischen Mustern zu leben. Aus irgendwelchen Gründen redet man sich ein, dass teure Mieten, ein mieser Job, ein Rentenalter von 67, steigende Fallzahlen bei Depressionen und Burnout, radikaler Abbau der Sozialleistungen und eine mehr und mehr ungewisse Zukunft am Ende für das typisch deutsche Gefühl von Sicherheit stehen. Nicht nur das, sondern man erhofft sich sogar am Ende bei all dem Gerenne in einem brennenden Hamsterrad, dass man auf ein erfülltes Leben zurückblicken kann.

Wer ist dieser Niemand?

Frag Dich einmal ganz ehrlich, für wen Du dieses Leben führst, was Du vielleicht gar nicht magst? Wen von all den Menschen, die Dich schief anschauen sobald Du Dinge anders machst, interessiert ob es Dir gut geht? Wer fragt Dich, wie Dein Leben aussehen müsste, damit Du und nur Du alleine glücklich bist? Wenn Dir auf diese drei einfachen Fragen nur „niemand“ einfällt, dann hast Du die Antwort auf wen genau Du mit Deinen Plänen Rücksicht nehmen solltest. 

Wenn Dich Details bis zur Umsetzung unseres Plans aus dem Hamsterrad aussteigen zu wollen interessieren, dann hör Dir einfach mal die erste Folge des Vodcasts an.

Warum es keine Anleitung für den Weg aus dem Hamsterrad gibt

5 Dinge die Du tun musst, um aus dem Hamsterrad auszusteigen. Ungefähr genauso spannend wie „Ein absolut kostenloses Coaching, wie Du jetzt sofort zum Millionär wirst!“ Beim entstehen all dieser Sofort-Millionäre und Großverdiener, sollten wir spätestens im nächsten Abschlussquartal den Welthunger besiegt und das sinnlose Sterben von Kindern, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, beendet haben. Ich freue mich drauf!

Tatsächlich ist die Frage, wie diese Coaches ihr Einkommen sichern sehr vergleichbar mit der Frage wie dieses Hamsterrad funktioniert. Es muss immer ein paar Dumme geben, die mitmachen und sich das Geld aus der Tasche ziehen lassen. Sind wir also ehrlich, dann gibt es eben keine einfache Anleitung wie Du aus der Nummer raus kommst. Wäre das so einfach, dann könntest Du die Hamster aber springen sehen. 

In erster Linie hängt alles von Deinen persönlichen Lebensumständen und Deiner persönlichen Einstellung ab. Wir machen diese Geschichte hier schon seit über 4 Jahren. Auf dem Weg bis hierhin haben wir soviel lernen müssen. Es ist ein langwieriger Prozess alle Verpflichtungen aufzulösen, festzustellen von was man sich wirklich trennen möchte, um am Ende auch auf sicheren Beinen zu stehen. Es hängt davon ab, wie Dein Leben derzeit aussieht und von welchem Punkt Du startest. Hast Du Dinge die Dich binden, musst Du erstmal einen Weg finden diese loszuwerden oder eben in Dein zukünftiges Leben zu integrieren. In vielen Fällen sind Familie oder Freunde ebenfalls ein Thema mit dem man sich ausführlich auseinandersetzen sollte. Hierauf gehen wir aber gleich noch einmal gesondert ein.

Unser Ausgangspunkt in 2018

So cool das jetzt auch klingen mag, aber in unserem Fall haben wir es tatsächlich einfach gemacht. Wir haben uns keine Ratgeber angeschaut, haben nicht lange darüber gegrübelt, was genau der Plan ist und wie man das jetzt mit Familie und Freunden ausdiskutiert. Wir haben es einfach für uns entschieden und Schritt für Schritt umgesetzt. Manchmal braucht es leider auch etwas Egoismus, da man ansonsten nicht weiterkommt und sich immer nur im Kreis dreht.

Fairerweise muss ich aber auch dazu sagen, dass meine Verpflichtungen zu diesem Zeitpunkt sehr überschaubar waren und ich eigentlich schon seit Jahren mehr oder weniger auf diesen Zeitpunkt hingearbeitet habe. Bedeutet finanziell weitestgehend unabhängig und ohne Verbindlichkeiten. Keine Verträge, die man nicht sofort hätte kündigen können. Eine Wohnung die recht klein und schnell aufgelöst war. Zudem einen kleinen, selbst ausgebauten Campervan. Ich hatte also schon einen Fuß aus dem Hamsterrad rausgehalten um mal zu schauen ob es denn da draußen wirklich so gefährlich ist, wie immer alle sagen.

Kathy hatte etwas mehr Ballast, den sie da im Hamsterrad mit sich rumtrug. Eine recht große Wohnung und irgendwie eine Sammelleidenschaft für Handtaschen, Schuhe und Deko. Zudem einen gutbezahlten Job auf der Bank, den man aber nicht einfach mal so remote ausüben konnte.

Der erste große Schritt - Wohnung auflösen

Du weißt es wird ernst, wenn Du wirklich Nägel mit Köpfen machst und Deine Wohnung kündigst. Unsere beiden Wohnungen waren gekündigt, während wir unseren Sprinter unter Hochdruck ausbauten. Dabei mussten wir noch den ganzen Kram loswerden. Du kennst das ja. Das Hamsterrad ist hässlich, also kauft man sich möglichst viel Zeug, damit das da drin eben nicht mehr so lieblos wirkt. Ich hatte meins mit recht viel Elektronikspielzeug dekoriert. Kathy ihres mit Schuhen, Handtaschen und jeder Menge schlauer Sprüche auf Dekoschildern. Das ganze Zeug loszuwerden war schon wild. ABER, wenn Du Dich von all dem Kram trennst, stellst Du fest wie sinnbefreit das Meiste von dem Zeug tatsächlich ist. Ab einem gewissen Punkt verfällst Du fast wie bei einem Kaufrausch in den Loslassrausch. Wer es schonmal gemacht hat, weiß was ich meine. Jeder weitere Gegenstand der geht, gibt Dir ein unfassbar gutes Gefühl.

Lange Rede kurzer Sinn, am Ende sind alle Sachen die niemand haben wollte auf der Straße zum Verschenken oder schließlich einfach in einem Container auf dem Müll gelandet. So sehr man auch an den ganzen Sachen festhält, so wichtig ist dieser erste Schritt. Das ist der erste wirkliche Beweis für den Willen, raus aus dem Hamsterrad zu wollen.

Wer kennt es nicht: Arbeite um zu leben...

Etwas, was mich fasziniert sind Dekogegenstände, auf die irgendwelche Lebensweisheiten aufgedruckt sind. Sowas hier zum Beispiel: „Was immer Du tun kannst oder träumst es zu können, fang damit an!“ Etwas Druckfarbe hätte man sparen können, wenn man einfach „Tu’s!“ draufgedruckt hätte. 

Aber natürlich wäre eine so kurze Aussage, die keinerlei Verwirrung beim Lesen schafft, auf diesen Schildern unangebracht. So hängen an ihrem schiefen Draht und stehen in irgend einer Ecke die tiefgründigsten Lebensweisheiten in zahlreichen Wohnungen. Irgendwann hat man sie sich wohl mal gekauft, da man diesen Spruch so passend fand und er exakt das innere Gefühl widergespiegelt hat. Aber ebenso wie dieses Gefühl immer wieder unter dem täglichen Druck im Hamsterrad begraben wurde, verstaubt auch der Gegenstand und wird nicht mehr gelesen. 

Ohne Freude am Risiko kommst Du nicht aus dem Hamsterrad

Vielleicht kennst Du auch den Spruch: „Lebe nicht um zu arbeiten, arbeite um zu leben!“ Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass Du diesen Spruch schon einmal irgendwo gehört und zustimmend genickt hast. Umso verwunderlicher ist, dass unter Umständen gerade ein scheinbar sicherer Job einer der Faktoren ist, der Dich am Wahrscheinlichsten von der Umsetzung Deiner Ziele abhält. Leider ist die deutsche Mentalität so angelegt, sich gegen alle möglichen Eventualitäten am Liebsten mit Seil und doppeltem Boden absichern zu wollen. Das wirkliche Leben, außerhalb des Hamsterrads, bedeutet aber immer auch Freude am Risiko. Ein Risiko für das große Versicherungsunternehmen noch keine Police im Angebot haben.  

Sei ehrlich zu Dir selbst. Was wenn Dein Job, für den Du extra geblieben bist, plötzlich aus irgend einem Grund wegfällt? Niemand wird am Ende zu Dir kommen und sagen: „Ich wollte mich bedanken, dass Du für dieses Unternehmen Deine Lebenszeit geopfert und Deine Träume hinten angestellt hast!“ Egal was die Gründe sind, warum Du an allem so sehr fest hältst, mach Dir eines bewusst: NIEMAND WIRD ES DIR AM ENDE DANKEN UND SICHERHEIT IM HAMSTERRAD IST EINE ILLUSION! Wir haben unsere Erfahrung damit.

Wie mache ich das mit dem Job?

Natürlich dachten wir auch am Anfang, dass die Jobs extrem wichtig sind. Es rät Dir auch niemand sofort alle hinzuschmeißen, nur damit Du einmal laut „FREI!“ schreien kannst, bevor Du Deinen Antrag beim Arbeitsamt abgibst. 

Das Aussteigen aus dem Hamsterrad ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Du musst Schritt für Schritt so gehen, dass es sich für Dich richtig anfühlt. Brauchst Du am Anfang mehr Sicherheit, dann ist das vollkommen okay. Du kannst Deine Schritte so klein oder groß wählen, wie Du möchtest. Manchmal kannst Du auch einfach stehen bleiben und für Stabilität sorgen. Wichtig ist nur, dass Du dann wieder voran gehst und Dein Ziel nicht aus den Augen verlierst. 

Mit der Zeit wirst Du immer kreativer in Deiner Lösungsfindung. Du beginnst umgekehrt zu arbeiten. Du ordnest einen Job nicht mehr Deinen Zielen über sondern unter. Bedeutet Dein Verhältnis zu dem worum es in Deinem Leben geht, wird sich verändern. Dein persönliches Ziel steht über allem was Du tust. Durch diese Verschiebung stellst Du plötzlich fest, dass Rückschläge gar keine sind, sondern Herausforderungen die Dich auf Deinem persönlichen Weg weiterbringen und am Ende wachsen lassen. Klingt etwas abgehoben, funktioniert aber aus eigener Erfahrung tatsächlich so.

Dennoch wirst Du in den meisten Fällen Geld brauchen. Wenn für Dich Dein derzeitiger Job nicht in die neue Lebenssituation passt, haben wir hier ein paar Möglichkeiten zusammengetragen, wie man neben einem klassischen Job Vanlife finanzieren kann. Außerdem wirst Du im Vanlife viele weniger Geld benötigen, als in Deinem derzeitigen Leben. Das Kaufen beschränkt sich auf Notwendiges, während Du ganz andere Dinge um Dich herum zu schätzen lernst.

Wie sage ich es der Familie?

Nehmen wir nun einmal an Du hast Dich mit all Deinen Ängsten und Sorgen ausreichend auseinander gesetzt. Du hast Dir Gedanken gemacht wie dieser Weg funktionieren kann und hast einen Plan. Irgendwann kommt der Zeitpunkt an dem Du mit anderen Menschen drüber sprechen willst oder sogar musst.

Ein schwieriger Schritt ist es, Deiner Familie zu erklären, was Du da gerade vor hast. Je nach Generation sind Deine Eltern oder sogar Großeltern in einer Zeit groß geworden in der Kinder, ein Eigenheim und eine sichere Rente im Alter zur größten Errungenschaft in einem Leben zählten. Und auch an dieser Stelle sei wieder darauf hingewiesen, dass ich dabei niemanden kritisieren möchte, der diese Werte bis heute lebt und damit glücklich ist. Leider gibt es aber auch die Anderen. Die Menschen, die mit diesen Vorstellungen und dem dadurch definierten Sinn des Lebens nicht ganz so viel anfangen können.

Zwei Hamsterräder treffen aufeinander

Nun versuchst Du also Deiner Familie zu erklären, dass Du da nicht mehr mitmachen möchtest. Dabei sind die Argumente stets gleich. Sie drehen sich in erster Linie um das Thema Sicherheit. Wobei das nur auf den ersten Blick so Aussieht. Denn eigentlich basieren die Argumente eher auf Angst und Unsicherheit, die ausführlich durchgespielt werden.

Interessant ist, dass Menschen, die es so gar nicht nachvollziehen können wie man nun aus diesem sicheren, brennenden Hamsterrad aussteigen will, immer zuerst alle negativen Angstszenarien durchspielen. Ist das nicht gefährlich im Ausland? Hast Du an die Rente gedacht? Was wenn irgendwas passiert? Was ist wenn Du Dir ein Bein brichst? usw. usw. usw.

Verkauft wird das Ganze aber als: „Schatz wir machen uns doch nur Sorgen um Dich, nicht dass etwas passiert!“ Und auch hier will ich nicht anzweifeln, dass besonders die Sorge um das eigene Kind eine Triebfeder ist. Allerdings basieren diese Angstszenarien meist nicht einmal auf einer persönlichen Erfahrung. Man hat nur immer gehört, dass es im Ausland so schlimm ist.

Warum ist immer alles so negativ

Das Hamsterrad funktioniert nur, wenn ausreichend Menschen zur Verfügung stehen, die das Ding am Laufen halten. In diesem selbsterhaltendes System, bei dem jeder der nicht mitzieht umgehend durch Verunsicherung wieder auf Linie gebracht oder aus dem Weg gerammt wird, sind Ängste ein probates Mittel. Nur so ist dieses System davor geschützt, dass es trotz Rissen und Feuer kollabiert. 

Die Idee ist so einfach wie genial: „Im Hamsterrad ist alles sicher, außerhalb droht erhebliche Gefahr für Leib und Leben.“ Inzwischen werden wir so zugesch***** mit Angst, dass wir selbst den Sommer und Tageslicht fürchten. Wir haben Angst vor Krankheit, vor anderen Menschen, vor Krieg, vor Inflation, vor Veränderung und am meisten vor uns selbst. Da dieses Konzept mit der Angst schon immer gut funktioniert hat und der Mensch gut darauf anspricht, hat es auch gerade solch eine Hochkonjunktur. 

Und genau aus diesem Grund wird auch kaum jemand auf Deine Idee antworten: „Wow wirklich? Du willst durch die unterschiedlichsten Länder reisen, andere Kulturen kennen lernen? Ich hab gehört die Menschen sind überall so gastfreundlich. Wow das hätte ich auch gerne gemacht! Leider habe ich keine Erfahrung mit dem was Du vor hast, aber ich stelle es mir großartig vor. Weißt Du was, das ist so eine tolle Idee, wenn Du irgendwie Hilfe brauchst lass es mich wissen. Ich wünsche Dir alles Gute, schöne Erfahrung und pass auf Dich auf!“

Es ist leichter wenn Du es verstehst

Uns fiel es wesentlich leichter diese Unterhaltungen zu führen, als wir verstanden hatten woher all diese Negativ-Argumente bei unserer Entscheidung kommen. Einige Unterhaltungen sind am Ende auch durchaus konstruktiv. Allerdings sind Gespräche mit Menschen, bei denen Du genau weißt dass sie überhaupt nicht wissen wovon sie reden, mehr als unsinnig. Ihre Argumentation besteht ausschließlich aus Vorurteilen und eigenen Ängsten. Sie verfügen über keinerlei Erfahrung und haben noch nichts außerhalb eines 10 Kilometerradius um ihr Zuhause gesehen. Dabei war die weiteste Urlaubsreise die sie je gemacht haben in Nord-Italien, sie sind aber absolute Experten über die Gefahrenlage auf dem Balkan. Lustigerweise sind diese Menschen die Lautesten. Das ist im Leben aber oft so, dass die die am wenigsten Ahnung haben, am lautesten schreien. Ich sage es Dir ganz ehrlich und selbst wenn es sich um die eigene Familie handelt: „GIB NICHTS DRAUF!“ Wenn Du feststellst, dass Du mit bestimmten Ratschlägen, die Dir unbedingt Familie oder Freunde geben wollen, nichts anfangen kannst, unterhalte Dich mit jemand anderem über dieses Thema.

Es ist sehr wichtig, dass man sich bei solch einem Vorhaben mit anderen Perspektiven auseinandersetzt. So verrennt man sich nicht einfach ziellos in die eigene Idee. Aber nicht um jeden Preis und besonders nicht, wenn die andere Perspektive nur darin besteht Dich durch Angstszenarien von Deinem Vorhaben abbringen zu wollen. 

Wie sage ich es den Freunden?

Sicher ist, dass sich Dein Freundeskreis durch diese Entscheidung stark verändern wird. Wir zählen an dieser Stelle auch einmal freundschaftliche Verhältnisse zu Arbeitskollegen dazu.

Es wird die unterschiedlichsten Reaktionen geben. Die einen sind neugierig und interessiert, die anderen lehnen Deine persönliche Lebensentscheidung, so als würde es ihr eigenes Leben betreffen, militant ab. Besonders im Arbeitsumfeld kann das schnell in Mobbing umschlagen. Das liegt aber lediglich daran, dass diese Menschen mit solch einer Entscheidung nichts anfangen können. Sie tendieren dann zu spöttischem Verhalten, sobald etwas ihren persönlichen Horizont übersteigt. Das sollte Dich nicht beunruhigen, denn es ist eine natürliche Reaktion. Durch dieses Verhalten schützt sich der kleingeistige Hamster einfach selbst. Würde er das nicht tun, ergäbe auch sein zunehmend schnelleres Rennen im Hamsterrad gar keinen Sinn mehr.

Richtige Freunde erkennen

Sprich mit Deinen Freunden über Deine Idee, besonders wenn es um aufrichtiges Interesse an Deiner Entscheidung geht. Gute Freunde unterstützen Dich mir wertfreien Argumenten, die nicht bloß auf Vorurteilen beruhen. Selbst wenn Dein Gegenüber für sich selbst diese Entscheidung nicht treffen würde, entstehen dadurch oft interessante Unterhaltung. Spannend ist es festzustellen wo die Schnittpunkte sind. Das sind in der Regel auch Freundschaften, die trotz Deiner Entscheidung aus dem Hamsterrad ausbrechen zu wollen, bestehen bleiben. 

Die Freunde, die es überhaupt nicht interessiert, was Du da gerade planst kannst Du getrost auf diesem Stand lassen. Du wirst von Ihnen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch später nichts mehr hören. Oft sind das Freundschaften die nur aufrecht erhalten wurden, da es für Dein Gegenüber irgend einen Nutzen hatte. Beispielsweise am Wochenende nicht alleine etwas unternehmen zu müssen oder jemanden zu haben bei dem man die eigenen Probleme abladen kann.

Zuletzt dann natürlich die kleingeistigen Hamster und Panikmacher. Wobei Du natürlich auch ein konstruktiv kritisches Hinterfragen Deiner Idee nicht sofort in diese Kategorie einsortieren solltest. 

Du wirst diese Kleingeisthamster aber schnell erkennen, denn eigentlich sind es die, die im ersten Moment den eindrucksvollsten Effekt auf Dich haben werden. Besonders wenn Du vorher der Überzeugung warst, dass es sich um ein echtes freundschaftliches Verhältnis gehandelt hat. Sei darauf gefasst dass Du feststellen wirst wie sehr man sich in Menschen täuschen kann. Verabschiede Dich schnell von diesen Menschen und verschwende nicht zu viel Energie etwas retten zu wollen. 

Du kommst da nicht ohne Widerstand raus

Wenn Du selbst die Idee lange genug gesponnen hast, bist Du irgendwann so happy, dass Du gar nicht verstehst warum andere diese Freude nicht teilen können. Wie bereits gesagt, es ist Teil des Spiels und hält dieses System im notwendigen Rahmen. Es ist also wichtig einfach darauf vorbereitet zu sein und zu wissen, dass diese Entscheidung mit erheblichem Gegenwind aus allen möglichen Richtungen verbunden sein wird. Hier wartet dann auch schon die erste große Prüfung auf Dich. Lenkst Du ein und lässt es sein oder bist Du gescheiter und machst weiter?

Um es noch einmal zu betonen, wäre es so einfach aus dem Hamsterrad auszubrechen würden es viel mehr Menschen tun. Die Kunst liegt jedoch in der Beharrlichkeit. Je länger Du Dein Ziel verfolgst umso gelassener wirst Du. Je gelassener Du in Deiner Entscheidung bist, umso mehr wirst Du andere davon überzeugen können, dass es die richtige Entscheidung war. So abgedroschen dieser Spruch auch klingen mag, aber tatsächlich ist der Weg das Ziel. Du wirst auf diesem Weg immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt an denen Du wachsen kannst. 

Dir werden Menschen begegnen die Dich unglaublich bereichern und Du wirst Menschen treffen, die nur darauf warten Dich scheitern zu sehen. Und dann wirst Du, bevor sie Dich wieder freudestrahlend zurück ins Hamsterrad ziehen, die magischen Worte hören: „Ich habe es Dir doch gesagt!“

Sind wir vollkommen raus aus dem Hamsterrad?

Wie bereits eingangs angemerkt ist es kaum möglich zu 100% aus dem Hamsterrad auszubrechen. Solange Du abhängig von Geld und bestimmten Verpflichtungen bist, bist Du immer auch Teil des Systems. Wir sind aber inzwischen ein großes Stück des Wegs gegangen selbstbestimmter und unabhängiger zu werden. Im Moment sehen wir unser Ziel aber auch nicht definiert, dass wir vollkommen aussteigen wollen würden. Für uns liegt der Schwerpunkt darauf die möglichen Freiräume innerhalb des Systems zu nutzen, möglichst viel auszuprobieren und damit einen entsprechenden Platz zu finden, der unseren Vorstellungen entspricht. Daran siehst Du, dass es nie ein ganz oder gar nicht sein muss. 

Teilstrecken die wir bisher geschafft haben:

  • Uns ist es gelungen die Jobsituation so zu strukturieren, dass sie mehr zu unserem Leben passt. Arbeiten müssen wir dennoch, allerdings tun wir es vermehrt mit Projekten auf die wir auch wirklich Lust haben.
  • Mit unserer Wohnsituation haben wir genau das umgesetzt was uns Freude macht. Dennoch gibt es immer mal wieder Optimierungsbedarf, da sich natürlich auch die Ziele im Einzelnen weiterentwickeln.
  • Den Konsum von unnötigem Zeug haben wir weitestgehend eingestellt. Das spart extrem viel Geld, wodurch natürlich auch weniger verdient werden muss. 
  • Wir sind soweit, dass wir eigentlich überall auf der Welt unterwegs sein können und unser Leben funktioniert. Unsere Jobs sind remote, unsere Wohnungen haben wir immer dabei und wir haben uns und die Hunde. 

 

Fazit zum Weg aus dem Hamsterrad

Das Aussteigen aus dem Hamsterrad, wenn auch nur in Teilen, ist mit Hürden verbunden. Aber wenn wir ehrlich sind besteht doch das ganze Leben aus Herausforderungen, zumindest wenn man mal was riskiert. Das Besondere ist jedoch, dass sich in einem Leben außerhalb die Probleme weniger um Finanzielles drehen. Klar spielt Geld auch eine Rolle, aber nicht mehr die Wesentliche. Es sind eher sehr bodenständige Herausforderungen die Du meistern musst. Sei es ein trockenes Plätzchen bei Regen zu finden oder im Sommer etwas den hohen Temperaturen aus dem Weg gehen zu können, oder einfach zu wissen wo Du Deine Frischwasservorräte auffüllen kannst.

Wenn Du diesen Weg gehst wirst Du allerhand kreative Lösungsansätze finde, wie Du auf einzelne Situationen reagieren kannst. Dabei wirst Du mit jeder Situation die Du gemeistert hast auch immer gelassener gegenüber Deinen eigenen Ängsten was alles passieren könnte. Alleine für diese Erfahrung lohnt sich der Weg aus dem Hamsterrad.  

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